Klima-Allianz & Co

Der Beitrag „Berate Karl“ ist schon ein wunderbarer Endpunkt für die erste intensive Projektphase der „Klimawandelberatung“. Diese Phase wurde vom Land Sachsen-Anhalt gefördert und hat mich (Michael Würfel) in die Lage versetzt, die Klimawandelberatung drei Monate lang quasi hauptberuflich zu entwickeln. Momentan sind andere Erwerbsarbeiten dran, vor allem steht eine Neuauflage des eurotopia-Verzeichnisses vor der Tür. Aber: Das Projekt Klimawandelberatung bleibt topaktuell, es könnte damit jederzeit weitergehen (vielleicht auch durch andere als mich). Ich hoffe, nach dem Erscheinen des nächsten eurotopia-Verzeichnisses im Sommer 2024 mit der Suche nach Zukunftszenarien weitermachen zu können (siehe https://klimawandelberatung.de/vorbereitung-expertinnenteams/). Ich habe sogar schon eine Finanzierungsidee – aber das eurotopia-Buch ist auch wichtig (für die Transformation der Gesellschaft), und da bin ich tatsächlich der eine Mensch, der dafür verantwortlich ist, dass es das gibt. Beim Klimaschutz bin ich nicht allein! Hier ein kleiner Reisebericht zu meinen letzten Trips in die Stadt zu Veranstaltungen der Klima-Allianz.

In den letzten acht Tagen hat es mich zweimal aus meinem kuscheligen Ökodorf Sieben Linden nach Berlin getrieben – für, wie ich sagen würde, Klimaaktivismus. Meine Familie ist skeptisch, schließlich war ich weder demonstrieren noch hab ich mich irgendwo festgeklebt. Ich war auf Veranstaltungen der Klima-Allianz und hab mal mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Augen gehört, wie politisches Engagement für Klimaschutz aussieht, wenn es weder in Gemeinschaft noch in Form von Demos auf der Straße stattfindet.

Die Klima-Allianz ist ein Netzwerk von Verbänden, die sich auf verschiedenste Arten für Umwelt-, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit engagieren. Dort sind die großen Player wie „Brot für die Welt“, „BUND“ oder „ADFC“ sowie Gewerkschaften und Kirchen Mitglied, außerdem viele, viele verschiedene kleine und große Verbände von Sektionen des deutschen Alpenvereins bis zu „Fairtrade Deutschland“. Auf der Website www.klima-allianz.de ist alles darüber nachzulesen. Am „Deutschen Klimatag“, meinem zweiten und letzten Berlin-Ziel, wurden in mit großartigen Sprecher*innen besetzten Diskussionsrunden Themen behandelt wie „Die Zeit der Umsetzung ist jetzt! Wie gelingt die Klimawende?“ oder „Bremsklotz für Klimaschutz und Gerechtigkeit: Wie weiter mit klimaschädlichen Subventionen?“. Teilgenommen haben auch Bundestagsabgeordnete und es war faszinierend, wie gut da diskutiert wurde, wie aber auch gleichzeitig deutlich war, dass diese Diskussionen das gegenwärtige Wirtschaftssystem nicht verändern, sondern nur Möglichkeiten innerhalb von diesem behandeln können. So fand ich einerseits hochspannend, wie konstruktiv die jeweiligen Akteure sich mit den Klimazielen auseinandersetzen – diese wurden von keine*r Vertreter*in der geladenen Parteien Grüne, SPD oder CDU in Frage gestellt – verstand aber andererseits auch, dass für Ideen wie „Ökodorf“ und „Gemeinschaft“ im Mainstream kein Denkraum existiert. Und wir Bewohnende von Sieben Linden wissen ja selbst, dass nicht einfach alle Menschen in Ökodörfern leben können. Darum finde ich es auch wichtig, als Ökodorf-Bewohner vor gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeiten nicht die Augen zu verschließen und bei diesen Diskussionen mitzuwirken, wenn es darum geht, die Industrie in Deutschland zu transformieren der Migrant*innen für Mülltrennung  zu begeistern. Auch wenn wir in Sieben Linden andere Themen und/oder Ansprüche haben. Wir sind stark als anfassbares und begehbares Zukunftsszenario und als Beweis, dass enkeltaugliches Leben nichts Graues oder Gruseliges ist, sondern Spaß machen kann. Aber auch wir kaufen Solarpaneele für unsere Häuser, oder bestellen Stromspeicher und Windrad bei der Industrie.

Wirklich toll zu sehen, was es alles für gute Leute und Initiativen gibt: Einer war für eine Gruppe namens „Finanzwende“ im Panel, der kannte sich super aus mit den aktuellen Haushaltsberatungen, von den „Scientists for Future“ hat jemand gesprochen, die Frau der „Deutschen Umwelthilfe“ war extrem kompetent; Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbände haben inzwischen eigene Klimaschutzreferate, eine Kooperation zwischen Fridays for Future und Ver.di für gute Arbeitsbedingungen im ÖPNV hat sich vorgestellt, eine muslimische Organisation, die sich dafür einsetzt, dass das Fastenbrechen (das abendliche Festmahl im Ramadan) möglichst ökologisch vollzogen wird und vieles mehr. Ich habe die Macherinnen der ARD-Serie „Wir können auch anders“ kennengelernt, die eigentlich letztes Jahr auch nach Sieben Linden kommen wollten, was aber wegen des engen Terminkalenders von Axel Prahl (mit dem ich eigentlich über Strohballenbau hätte reden sollen) nicht geklappt hat, und einen ehemaligen Ökodorf-Bewohner (jetzt bei „Fossil Free Berlin“) hab ich auch getroffen.

Meine erste Berlin-Reise vor einer Woche hatte eine Zukunftswerkstatt zum Thema „Kultur und Klima“ zum Ziel – die wurde von zwei Berliner Mitgliedsorganisationen der Klima-Allianz organisiert, die nach meiner Einschätzung viel zu wenig Zeit für inhaltlichen Austausch vorgesehen und dafür zu viel Zeit für ihre eigene Vorstellung eingeplant hatten. Außerdem gab es wohl unterschiedliche Definitionen und Schwerpunkte zu „Kultur“ und ihrer Beziehung zur aktuellen Klimadebatte. Ich hab das aber auch nicht bereut, dafür in die Stadt gekommen zu sein, ich kann jeden Input als Inspiration begreifen, außerdem war ich dadurch mal auf dem Tempelhofer Feld und abends in einer Karaokebar. Außerdem hatte ich die ganze Zeit einen E-Roller zur Verfügung, den ich mir zur Zeit meiner Knieverletzung gemietet hatte, und das war auch eine schöne neue Erfahrung, sich von der freundlichen Google-Stimme aus dem Handy am Lenker durch die Stadt leiten zu lassen. Ja, ich weiß, es macht die Transformation nicht leichter, wenn man sich mit den Bequemlichkeiten der hyperkommerzialisierten Markwirtschaft anfreundet (Google, Smartphone, Internet immer und überall) – aber: Ich wäre ehrlich bereit, das aufzugeben. Da kam mir dann gleich eine T-Shirt-Idee: „I use Google – but I would love to see it banned“. Das Wort Google kannst du dann beliebig austauschen: „Air Travel“, „Individualverkehr“, „My iPhone“… 🙂

Zurück zum Thema: Ich finde es gerade ganz schön, dass es „im Mainstream“ so viele Menschen gibt, die auch versuchen, klimafreundlich zu leben – ÖPNV und veganes Essen war Standard – und dass ich mich mit denen als Teil eines gesellschaftlichen Wandels begreifen kann. So sehr ich das Leben in Sieben Linden liebe! Ich möchte dort auch zur Diskussion stellen, ob wir nicht Teil der Klima-Allianz werden wollen. Gerade, weil im letzten Jahrzehnt die Klimabewegung außerhalb der Gemeinschaftsszene gewachsen ist, könnte es uns guttun, und mit dieser zu vernetzen. Wir brauchen uns, wie oben geschrieben, auf keinen Fall verstecken mit unseren Leistungen, aber wir profitieren möglicherweise auch davon, wenn wir im Auge behalten, was in der Bewegung außerhalb des Ökodorfes so passiert.

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