Studien
Kleine Rückschau: Ich habe vor 2-3 Wochen endlich ein paar Ansätze zu Zukunftsszenarien gefunden.
Zunächst das Klimaschutzszenario 2050 mit ihrer Erklärveröffentlichung Klimaverträglich leben im Jahr 2050 (siehe Grafik links), beides vom Öko-Institut. Das Klimaschutzszenario ist eine 467 Seiten starke Studie, die 2015 im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit erstellt wurde. Zentrale Fragestellungen sind:
- Welche Emissionsminderung könnte erreicht werden, wenn die aktuelle Energie- und Klimapolitik fortgeschrieben wird?
- Welche Maßnahmen und Strategien sind notwendig, um die Klimaziele zu erreichen?
- Welche Kosten/Nutzen-Relationen ergeben sich daraus für die Verbraucher und die Volkswirtschaft?
Eine der Autorinnen, Carina Zell-Ziegler (Interview inzwischen hier) hat mir wertvolle weitere Hinweise zu Studien und Szenarien gegeben. Weitere Studien mit ihren jeweiligen Fragestellungen:
RESCUE vom Umweltbundesamt (2019): https://www.umweltbundesamt.de/rescue
- Was sind plausible und nachhaltige Wege hin zu einem treibhausgasneutralen, post-fossilen und dabei möglichst ressourcenschonenden Deutschland 2050 auf Basis heute schon existierender Technologien?
- Welche Instrumente und Maßnahmen brauchen wir, um dies umzusetzen?
- Wie entwickelt sich der Rohstoffbedarf in einem treibhausgasneutralen Deutschland bis 2050?
- Wie beeinflussen sich Klima- und Ressourcenschutz gegenseitig?
- Existieren ressourcen- und rohstoffsparende Ansätze und Möglichkeiten eine treibhausgasneutrale Wirtschaft zu erreichen? Welche Probleme (z. B. Rohstoffknappheiten z. B. Kupfer) sind heute schon absehbar?
Die Stellungnahme „Wie wird Deutschland klimaneutral“ (ganz neu, vom Februar 2023) von ESYS („Energiesysteme der Zukunft“, ein Projekt von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften sowie der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften): https://www.acatech.de/publikation/deutschland-klimaneutral/ mit den Frage nach
- der Bedeutung einer Nachfragereduktion für das Erreichen der Klimaziele,
- dem Beitrag eines beschleunigten Technologiehochlaufs für die Zielerreichung,
- der Frage, unter welchen Annahmen eine klimaneutrale Energieversorgung bereits vor 2045 möglich ist,
- den erforderlichen Strategien zur Umsetzung von Klimaneutralität in der industriellen Produktion sowie
- dem Beitrag von netto-negativen Emissionen zur Klimaneutralität.
In den letzten Tagen kam auch noch eine Veröffentlichung dazu, nämlich „Politik in der Pflicht“ vom Sachverständigenrat für Umweltfragen mit der Aussage: Politik sollte umweltfreundliches Verhalten erleichtern, fördern und einfordern.
Erstmal war ich hellauf begeistert davon, wie viel Arbeit hier schon geleistet wurde – wenn diese Studien gelesen werden, muss man sie ja nur noch umsetzen! Wahnsinn!
Dann habe ich versucht, aus diesen Szenarien abzuleiten, was darin für Hinweise für die konkrete Zukunftsgestaltung stecken – mein Versuch ist hier nachzulesen – Bitte keine Doktorarbeits-Ansprüche geltend machen. Fazit: ein Zeitgrab, das nicht unbedingt Neues zu Tage fördert, die tatsächlichen Auswirkungen dieser Transformationspfade auf die Lebenswelt der einzelnen bleiben in diesen Studien doch unkonkret (und war ja auch nicht ihr Ziel). Dazu kommen noch ein paar Spielverderberfakten und ein Grundproblem.
Spielverderber: Zwar sind die deutschen Emissionen schon gewaltig gesunken seit 1990, aber die Emissionszahlen scheinen auch wirklich nur die deutschen Emissionen wiederzugeben. Jetzt hat sich die Produktion unserer Konsumgüter, teilweise auch der Baustoffe und Industrievorprodukte aber in den letzten Jahrzehnten stark ins Ausland verlagert, und dort sind die Emissionen weiter gestiegen – wenn da nicht mal auch für Exporte nach Deutschland emittiertes CO2 dabei ist…??? (Die Grafik ist interaktiv, fahr mal mit der Maus drüber für weitere Infos):
Grundproblem: Lässt sich eine nachhaltige Welt auf der Basis unserer jetzigen Wirtschaftsgestaltung überhaupt umsetzen? Siehe https://klimawandelberatung.de/begriffsklaerung-nachhaltigkeit-und-kapitalismus/. Und ein sehr interessantes Statement von Felix Ekardt auf https://energiesysteme-zukunft.de/themen/debatte/klimaziele: „Neben grüner Technik gehört zum Umweltschutz nach dem Paris-Abkommen damit auch ein genügsamerer Lebensstil. Allerdings wird dann auch weniger verkauft werden. (…) Das große Problem aber ist: Bislang hängen vom Wachstum zentrale gesellschaftliche Institutionen ab, etwa der Arbeitsmarkt, das Rentensystem, die Banken und das System der Staatsverschuldung.“
Trotzdem…
Trotzdem machen sich schon einige Mutige auf den Weg und entwerfen reale Bilder von der Zukunft – echte Szenarien also. Auf die Rolle der Kunst (Bücher, Filme) gehe ich zu späterem Zeitpunkt bestimmt noch tiefer ein und freue mich auch über Hinweise als Kommentar. Auf jeden Fall fand ich „Das Ministerium für die Zukunft“ von K.S. Robinson einen ganz großen Wurf, weil es wirklich einen gangbaren Weg aus der Gegenwart aufzeigt (augenöffnend, dass der im Buch noch so schwierig zu gehen ist). Hier sind die Ideen aus dem Buch zusammengefasst und mit der Realität abgeglichen (auf Englisch). Dann gibt es natürlich die Utopien („Ökotopia“ war toll, auch „Retrotopia“ von J.M. Greer scheint interessant, ist aber nicht zu kriegen) und die Dystopien. ich bin mir nicht sicher, ob die aktuelle Serie „Extrapolations“ zu letzterem gezählt werden kann – inspirierend für die Arbeit an einer nachhaltigen Welt ist sie allemal.
Die „Zukunftsbilder“ der Scientists for Future sind vielversprechend: https://de.scientists4future.org/zukunftsbilder/ bzw. https://zenodo.org/communities/zukunftsbilder/. „Mit allgemein verständlichen und inspirierenden Beschreibungen“ wollen die Scientists for Future „mögliche Zukünfte veranschaulichen. (…) Wie sieht wohl unser Alltag 2040 aus, wenn wir die deutsche Politik konsequent auf Nachhaltigkeit ausrichten?“ Damit sind sie eigentlich ganz genau die richtigen Ansprechpartner*innen für die Klimawandelberatung – der Kontakt ist angebahnt.
Ebenso interessant scheint mir die Gruppe „Reinventing Society“, https://www.realutopien.de/, die sich – schon sehr ähnlich wie das, was ich gerade suche und fordere – mit „realen Utopien“ beschäftigt. Ich hoffe, mit dieser Gruppe sowie mit den „Scientists for Future“ (s.o.) bald in Austausch zu kommen. Unten eins der Bilder, mit denen „Reinventing the Future“ Lust auf eine gewandelte Gesellschaft machen.